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Aktuelle Positionen der Medienkunst
transmediale.02, Haus der Kulturen der Welt, 5.-24. Februar 2002

Die transmediale.02 präsentierte eine vielseitige Ausstellung mit Video- und Soundinstallationen, zum Teil Internet basiert und interaktiv, die den Besucher zur (inter-)aktiven Auseinandersetzung mit den Kunstwerken einlud. Die ausgestellten Arbeiten zeigten wichtige Tendenzen der gegenwärtigen Medienkunst-Produktion, die auch in dem Konferenzpanel 'Concepts of Interaction' von den beteiligten Künstlern diskutiert wurden.

"Die Ausstellung der transmediale.02, die erste größere Ausstellung, die in Berlin Medienkunst zeigt, findet zu einem nicht unproblematischen Zeitpunkt statt. Die Welt bekommt die negativen Folgen einer umfassenden politischen und ökonomischen Globalisierung zu spüren, und die Industrien der Medien, Information und Telekommunikation befinden sich nach Jahren des übersteigerten Optimismus in einer anhaltenden Krise. Zugleich aber ist in der Medienkunst eine Situation erreicht, in der nicht mehr länger die kreative Anwendung von neuen Technologien allein als Kriterium gilt, sondern endlich die künstlerische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und ästhetischen Dimensionen der digitalen Kultur in den Vordergrund tritt. Das kulturelle Umfeld also ist angespannt, während die Medienkunst selber an Kontur gewinnt.

Hierfür sind freilich gut entwickelte Produktions- und Präsentationsstätten notwendig. Zahlreiche der in dieser Ausstellung vertretenen internationalen Künstler können erstmals in Deutschland gezeigt werden, und es wird hoffentlich auch in Zukunft möglich sein, im Rahmen der transmediale aktuelle Positionen der Medienkunst einem breiten, kunstinteressierten Publikum vor zu stellen.

Exemplarisch für die eine gelungene Kooperation zwischen Kunst und Industrie auf dem Gebiet der Produktion war bis vor kurzem das Canon ArtLab in Tokio. Zahlreiche herausragende künstlerische Projekte sind aus dem japanischen Lab hervorgegangen, was vor allem in der einmaligen Förderstruktur begründet war, die zwei Auftragsarbeiten pro Jahr vorsah, an deren Entwicklung Firmeningenieure und Künstler gemeinsam arbeiteten. Im Zuge dessen kamen seit Anfang der 90er Jahre zahlreiche internationale Künstler an das ArtLab, das große Anerkennung erfuhr, indem viele der dort produzierten Werke höchste Auszeichnungen erhielten und weltweit ausgestellt wurden.

Im August 2001 wurde das ArtLab allerdings aus Sparsamkeitsgründen auf ein Minimum reduziert, ein Umstand, den man zweifelsohne in den kommenden Jahren spüren wird. Werke wie das dort produzierte und in dieser Ausstellung gezeigte Projekt Molecular Informatics von Seiko Mikami sind auf technisch leistungsfähige Produktionsstätten angewiesen, die nicht so sehr auf kommerzielle Verwertbarkeit schielen, sondern freie und innovative künstlerische Arbeit fördern wollen. Dass dabei häufig technische Lösungen entwickelt werden, die als offene Forschungsergebnisse auch wieder in Industrieprodukten Verwendung finden, darf dabei nicht im Vordergrund stehen, auch wenn sich dieser Effekt mit schöner Regelmäßigkeit einstellt.

Medienkunst braucht, ob sie nun von öffentlichen Trägern oder von der Privatwirtschaft gefördert wird, dieselben künstlerischen Freiräume, die auch anderen Kunstsparten gewährt werden. Zunehmend kann Medienkunst auch in künstlerisch ausgerichteten Medienlabors, Produzenten-Initiativen, an Universitäten und Akademien entstehen, die sich verstärkt bemühen, in die Mediengestaltung und -forschung einzutreten. Künstlerische Produktionen wie das über mehrere Jahre an der Ohio State University in Columbus, Ohio entstandene, hier ausgestellte Werk Autopoiesis von Kenneth Rinaldo brauchen ein leistungsfähiges und dauerhaftes Arbeitsumfeld, in dem künstlerische und technische Entwicklung Hand in Hand gehen können.

Dabei sind die künstlerischen und technischen Voraussetzungen für hochwertige Produktionen heute weitaus besser als noch vor einigen Jahren. Leistungsfähigere, preiswertere Technologien und ein bei Künstlern und Technikern gewachsenes Know-how gehen zusammen mit dem Wissen um die komplexe Grammatik medienkünstlerischer Praxis. Dies bedeutet auch, dass heute besser denn je unterschieden werden kann zwischen genuin künstlerischer Arbeit mit digitalen Medien und technisch orientierten, kreativen Experimenten mit neuen Schnittstellen und Gadgets. Für die Förderung von Medienkunst sollte auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten nicht Werbe- und Massentauglichkeit zählen, sondern ästhetische Kraft und kulturelle Bedeutsamkeit.

Ein Festival wie die transmediale hat darüber hinaus auch die Aufgabe, Kriterien für die Beschreibung medienkünstlerischer Arbeiten zu entwickeln und den öffentlichen kunstkritischen Diskurs voran zu bringen. Hierzu wird mit einer international besetzten Experten-Jury gearbeitet, die sich inzwischen einer verfeinerten Grammatik zur Beurteilung von Qualität und zur Unterscheidung verschiedener Genres bedienen kann.

Dies kann freilich nicht verhindern, dass sich die technisch aufwendigen Arbeiten nur im aufgebauten Zustand wirklich erfahren lassen und dass eine Videodokumentation derselben oft nur eine Ahnung von dem geben kann, was bei einer interaktiven Installation beispielsweise tatsächlich erlebt wird. Ein Dilemma, das auch die letztjährige Jury des Prix Ars Electronica erfahren musste, als sie aufgrund eines Videos und einer Projektbeschreibung den ersten Preis für eine interaktive Arbeit an eine übrigens im Canon ArtLab entstandene Arbeit von Marko Peljhan und Carsten Nicolai vergaben, die dann aus technischen Gründen nicht ausgestellt, sondern nur in sehr abstrakter Form dokumentiert werden konnte. Die transmediale war 2001 glücklicherweise in der Lage, nach der von unerwarteten Budgetkürzungen erzwungenen Absage einer Ausstellung des Preisträgerprojektes in der Kategorie interaktive Kunst während des Festivals, die Präsentation der Arbeit zgodlocator von Herwig Weiser im Sommer 2001 nach zu holen.

Die Tatsache, dass in diesem Jahr zur transmediale.02 eine Ausstellung realisiert werden kann, die einige der nominierten Projekte in den drei Wettbewerbskategorien und weitere herausragende Arbeiten aus den verschiedenen Forschungsbereichen der Medienkunst vorstellt, gibt Hoffung: für die Künstler, denen nicht oft adäquate Präsentationsmöglichkeiten für ihre Projekte geboten werden, und für die Festivalmacher, für deren Vermittlungsarbeit ein solches Präsentationsforum unverzichtbar ist. Dem Publikum schließlich kann in Berlin endlich eine derart übergreifende Ausstellung maßgeblicher medienkünstlerischer Produktionen präsentiert werden. Die Kooperation von Berliner Kulturveranstaltungs-GmbH/transmediale und Haus der Kulturen der Welt gibt einen Einblick in das Schaffen von anerkannten Protagonisten der internationalen Medienkunst, stellt aber auch mehrere einheimische und junge KünstlerInnen vor.

Die Schau kontrastiert unterschiedliche künstlerische Ansätze und setzt diese zueinander in Beziehung. Sie folgt keinem inhaltlichen Oberthema, sondern strebt eine inhaltlich und formal vielfältige Übersicht an, durch die sich einem breiteren Publikum Grundzüge und Gesamtzusammenhänge vermitteln lassen.

Drei Werke haben Eingang in die Ausstellung gefunden, die für den transmediale award 2002 nominiert sind. Die Arbeiten von Jocelyn Robert (Image), Joan Leandre (Software) und Torpus/Durieux (Interaction) markieren wichtige und innovative künstlerische Ansätze innerhalb der drei Wettbewerbsbereiche und verdeutlichen einmal mehr die enorme Spannbreite der Kunstproduktion mit elektronischen Medien.

Die Digitalisierung heutiger Bildformate bringt eine Veränderung des Bildbegriffs mit sich, der in den installativen Arbeiten von Wolfgang Staehle, Philipp Lachenmann und Keller/Wittwer thematisiert wird. Diese drei Ausstellungsprojekte liefern darüber hinaus - vor allem, wenn man sie im Verbund betrachtet - eine höchst präzise Zustandsbeschreibung einer hyper-medialisierten und traumatisierten Gesellschaft.

Die Exponate von Masaki Fujihata und Luc Courchesne nähern sich auf unterschiedlichen Wegen der Frage, wie die Interaktion mit einem bewegten Bild so gestaltet werden kann, dass der Besucher die Handlung selber erfahren, wenn nicht gar mit gestalten kann. Ganz wichtig dabei ist, dass Betrachter und Bild in eine dynamische, räumliche Beziehung gebracht werden. In Seiko Mikamis Arbeit wird der Blick des Betrachters selbst zum Handelnden und ist zugleich das Betrachtete – die Aktion des Sehens ist konstitutive Grundlage des Werkes, das außerhalb dieses Prozesses nicht existent ist. Die konzeptionell sehr verschiedenen Roboter-Sound-Installationen von Kenneth Rinaldo und dem robotlab setzen Maschinen als Metaphern für artifizielle Lebensformen ein. Sie konfrontieren einerseits den Besucher mit seinen eigenen Verhaltensmustern und Erwartungen, andererseits faszinieren sie durch die den Maschinen eigene Perfektion der Bewegungen und durch ihre autonome Präsenz im Raum.

Die kleine, interaktive Installation von Jonah Brucker-Cohen und die außerhalb der Galerie platzierte Computer-Performance von Alexej Shulgin sind scharfzüngige Kommentare zum gegenwärtigen Mediengebrauch und reflektieren auf ungewöhnlich klare und humorvolle Weise die Evolutionsstufen der Computertechnik. Péter Frucht hat mit seiner netzbasierten Installation ein Werk geschaffen, das den Kommunikationsraum Internet kritisch beleuchtet und den sonst meist stillen Raum des Netzes auch akustisch erfahrbar macht. Das Wett- und Bewertungssystem von Stuart Rosenberg schließlich lässt sich als (selbst-)ironische Kritik an der kuratorischen Praxis und einem in der Kunst üblichen Wettbewerbsverfahren verstehen, indem es den Besucher ermächtigt, seinen eigenen Kriterien bei der Bewertung von Kunst zu folgen und mit diesem persönlichen Urteil an die Öffentlichkeit zu treten.

Auffallend ist, dass bei der Mehrzahl der ausgestellten Arbeiten der Klang nicht nur Beiwerk ist, sondern als integraler Bestandteil behandelt wird. Dies stellt besondere Herausforderungen an die Ausstellungsgestaltung, verdeutlicht aber auch einmal mehr die vielschichtigen Rezeptionsebenen von Medienkunst, die in ihrer ganzen Fülle nur in der Ausstellung selber zu erfahren sind. Die Medienkunst braucht deshalb nicht nur vielfältige und potente Laboratorien der Produktion, sondern auch reale Ausstellungsräume, an denen sie erlebt, verstanden und kritisch beurteilt werden kann."

Vorwort aus dem Katalog zur Ausstellung
Der Katalog ist bei der transmediale erhältlich.

Kuratorin, Projektmanagment, Katalog: Susanne Jaschko

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